Wiener Zocker

Hintergründe und Insiderinformationen


Kaiserstraße 80: Wenn eine Straße das Gedächtnis der Wiener Zocker-Ökonomie wird

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Kaiserstrasse 80 im Brennpunkt der Wiener Zocker

Es gibt Straßen, die man im Stadtplan sucht – und es gibt Straßen, die einen finden.

Die Kaiserstraße gehört zur zweiten Sorte. Wer hier wohnt, arbeitet oder einmal mitten in der Nacht im Blaulicht aufgewacht ist, weiß, dass diese Achse zwischen Mariahilfer Straße und Lerchenfelder Straße kein neutrales Pflaster ist, sondern eine Art Mikroskop: Unter der Linse der Kaiserstraße wird sichtbar, was Wien sonst lieber unter den Teppich kehrt – Kriminalität, Gentrifizierung, Brandgefahr, alte Schuld, neue Tricks.

Tagsüber rattert die Linie 5, Touristen schleppen Espresso-Maschinen aus den letzten schicken Läden, Bobos balancieren ihre Bio-Gemüsekisten, Radfahrer kämpfen um jeden Meter Asphalt. Nachts gehört die Straße den anderen: den Einbrechern, den betrunkenen Schatten, den Jugendlichen mit Messern, den Männern, die Polizisten ins Bein beißen, während irgendwo in einem finsteren Stiegenhaus jemand zum Hörer greift, weil ihm gerade ein „falscher Polizist“ das Ersparte aus der Tasche reden will.

Dazwischen piept der Rauchmelder. Ende Februar 2024 steht das China-Lokal an der Ecke Stollgasse in Flammen, schwarzer Rauch zieht wie ein Vorhang durch die Gasse, 27 Feuerwehrleute kämpfen unter Atemschutz um das Haus und darum, dass aus einem Küchenbrand kein Gründerzeit-Inferno wird. Im Herbst 2024 ist es ein Wohnungsbrand, der vier Menschen mit Rauchgasvergiftung zurücklässt. Ein paar Hausnummern weiter sperrt im Mai 2025 das Traditionsfitnessstudio „Körperstadt“ nach fast vierzig Jahren zu, die Energiekosten und Mieten haben stärker gewonnen als die Stammkunden. Und beim Espresso-Luxusgeschäft auf der 76 hängt im Schaufenster plötzlich das Insolvenzschreiben.

Wer hier durchgeht, spürt: In dieser Straße wird viel Geld verdient, noch mehr verloren – und manches ganz bewusst verschoben. Genau in diesem Umfeld liegt die Kaiserstraße 80.

Von Hartinger auf der 63 zur Zockerelite auf der 80

Ein paar Hausnummern weiter unten, in der Kaiserstraße 63, hat die Geschichte, die wir heute „Wiener Zocker“ nennen, ihren düsteren Prolog. Dort wirkten schon vor Jahren Gestalten wie Helmut Hartinger, dessen Name mittlerweile in mehreren Strafakten und Urteilen aufscheint, und die Vogtgasse 16–20 GmbH, mit einem jener klassischen Wiener Stroh-Geschäftsführer: MMag. Franz Josef Paller, ein Mann aus dem Umfeld des altehrwürdigen Komm.-Rat Friedrich Scheck.

Scheck, Paller, Hartinger – das waren die Figuren aus der ersten Staffel: Grundstücksdeals, Forderungskäufe, Zwangsversteigerungen, bei denen Assets wie Spielsteine über dieselbe Gasse weitergereicht wurden. Die frühen Recherchen dazu, irgendwo zwischen Aktenstaub und Wirtshausgesprächen, waren ein Teil jener Vorgeschichte, aus der später wienerzocker.com entstanden ist.

Dass knapp daneben, in der Nummer 80, Jahre später eine neue Generation von Zockern, Strohleuten und Projektentwicklern auftaucht, ist fast schon wienerisch konsequent.

Kaiserstraße 80, Akt I: Gabriel macht das Dach auf

Im Frühjahr 2016 taucht im Firmenbuch eine Gesellschaft auf, die so klingt, als hätte jemand die Adresse direkt ins Firmenwortlaut kopiert:

Kaiserstraße 80 DG Immobilien- und Projektentwicklungsgesellschaft mbH.

Geschäftsführer und Alleingesellschafter: Thomas Gabriel, Zwillingsbruder von Günter Gabriel.

Der Unternehmensgegenstand: so allgemein wie gefährlich – Erwerb, Entwicklung, Bewirtschaftung und Verwertung von Immobilien, konkret das Dachgeschoss der Kaiserstraße 80. Ein paar Monate später wandert die Hülle weiter – und mit ihr die Verantwortung.

Kaiserstraße 80, Akt II: Wagenhofer übernimmt und die Hülle wird zum Spielstein

Im September 2016 steht plötzlich ein anderer Name im Firmenbuch: Thomas Wagenhofer. Gabriel ist draußen, Wagenhofer ist drinnen, die Kaiserstraße 80 DG GmbH gehört nun ihm.

Wagenhofer, mittlerweile ein Stammgast in nahezu jeder ernstzunehmenden Aufarbeitung der Wiener „Wild-West“-Immobilienszene, nutzt die Gesellschaft nicht nur für das Dachgeschoss, sondern schiebt sie als Gesellschafterin in andere Projekte hinein – etwa in die Gadnergasse 1 Projektentwicklungsgesellschaft mbH, ebenfalls unter seiner Kontrolle. Aus einem Haus wird ein Chip, aus einer Adresse eine Währung im Projektkarussell.

Dann, im Dezember 2016, folgt der nächste Trick:

Der Name ändert sich zu Exklusiv Wohnen Tribuswinkel GmbH, der Sitz wandert Richtung Baden, neuer Geschäftsführer ist plötzlich Philipp Haberhauer, Maschinenführer, ehemals bevor er wirtschaftlich von Wagenhofer und Pospichal ruiniert wurde ein guter Freund von Markus Pospichal seiner Frau und Irene Pospichal. Wagenhofer tritt elegant ab, zumindest auf dem Papier.

Die Kaiserstraße bleibt zurück mit einer Spur von Projektgesellschaften, während die rechtliche Hülle der „Kaiserstraße 80 DG“ nun vor den Toren der Stadt als Exklusiv-Wohnen-Vehikel herumgeistert.

Später, in einem Verfahren vor dem Handelsgericht Wien, wird derselbe Philipp Haberhauer in einer Klagebeantwortung schildern, wie er von Wagenhofer & Pospichal in ein „Loch-auf-/Loch-zu-Geldkarussell“ hineingezogen wird, wie ein Raiffeisen-Filialleiter im Burgenland eine dubiose Rolle einnimmt und wie er am Ende mit persönlichen Haftungen und einem ruinierten Leben dasteht, während andere längst in der nächsten Projekt-GmbH sitzen. Diese Innenansicht erklärt besser als jede Theorie, wozu solche Hüllen wie die Kaiserstraße 80 DG GmbH gut waren – und für wen.

Kaiserstraße 80, Akt III: LNR, Plurimum, Meisel – und wieder wird umgehängt

Parallel zu diesem Wagenhofer-Theater läuft auf derselben Liegenschaft eine zweite Schicht: die LNR-Schiene des Lukas Neugebauer.

Ebenfalls 2016 entsteht die LNR Kaiserstraße 80 Projektentwicklung GmbH, eine Schwester im LNR-Universum, das heute Gegenstand eines sehr großen Strafakts bei der WKStA ist. Später mutiert diese Gesellschaft zur Plurimum Kaiserstraße 80 Immobilien GmbH, Geschäftsführer wird Dr. Friedrich Meisel, der Mann, der an der Schönbrunner Straße 133 wie ein Totengräber über ganze Friedhöfe von Projektgesellschaften wacht.

Aus Sicht der Kaiserstraße 80 bedeutet das:

  • auf einer Seite Gabriel–Wagenhofer–Haberhauer,
  • auf der anderen Neugebauer–Plurimum–Meisel.

Zwei Systeme, ein Haus. Dazwischen eine Eigentümergemeinschaft, die versucht, halbwegs normal zu wohnen, während oben das Dach baulich und rechtlich nie wirklich fertig wird, WEG-Klagen ins Grundbuch einziehen und die Baupolizei mehr über die Adresse weiß als der durchschnittliche Makler.

Kaiserstraße 80, Akt IV: Neugebauer in der Exekution – und ein Ex-LNR-Manager ersteigert das Objekt

Am Ende all dieser Verrenkungen steht – wie so oft in diesen Kreisen in Wien – die Zwangsversteigerung.

Die Hausgemeinschaft betreibt die Exekution gegen Lukas Neugebauer wegen offener Kosten, im Grundbuch liegt gleichzeitig ein Pfandrecht der Raiffeisenbank Attersee-Süd über rund 650.000 Euro. Ein Sachverständiger kommt, sieht sich das nie ordentlich fertiggestellte Dachgeschoss an, rechnet Risiken, Brandschutz, Denkmalschutz und WEG-Prozesse ein und landet bei einem Verkehrswert von rund 220.000 Euro.

Beim Versteigerungstermin passiert dann das, was Wiener Zocker hellhörig macht:

Der Zuschlag fällt bei 400.000 Euro an Ferhat Milanov.

Milanov ist jener Mann, der laut Firmenbuch jahrelang als Geschäftsführer und Gesellschafter in LNR-nahen Firmen wie der MLV Immobilien GmbH, der LMF Erzherzog-Karl-Straße 31 Immobilien GmbH und der AUB Beteiligungs- und Handels GmbH / PLUFRST7 Betriebsgesellschaft mbH tätig war (Quelle: Northdata) – einem Cluster, der wiederum eng mit Plurimum und Meisel verflochten ist. Er ist vielen Mietern der LNR-Häuser und mehreren Magistratsabteilungen als „Mann für alles“ begegnet: Baupolizei, Bezirksvorstehung, Beschwerden, Baustellen.

In Unterlagen einer Eigentümerversammlung der Kaiserstraße 80 scheint er auch nach außen als jener auf, der angeblich noch Unterlagen zum Dachausbau besorgen sollte – Einreichpläne, statische Details, Fertigstellungsanzeigen. Die Leute im Haus kennen ihn als jemanden, der seit Jahren um dieses Objekt kreist.

Nun ist er Meistbieter.

Milanovs Entgegnung – und warum wir trotzdem darüber schreiben

Nach Veröffentlichung des ersten Artikels hat Ferhat Milanov Wiener Zocker geschrieben. In einer früheren Anzeige an die WKStA wurde Milanov als „Azubi“ und Vertrauensperson des LNR-Masterminds Lukas Neugebauers beschrieben.

Der frühere LNR-Manager Ferhat Milanov erhält den Zuschlag einer zwangsversteigerten Wohnung in der Kaiserstraße 80 in Wien

Milanov legt Wert darauf, festzuhalten, dass er:

  • nur aus privatem wirtschaftlichen Interesse gehandelt habe,
  • seit Jahren nicht mehr für Neugebauer oder LNR tätig sei,
  • keine Person des öffentlichen Lebens sei und
  • sich durch die Berichterstattung rufgeschädigt fühlt.

Er betont, er habe in dem Haus selbst gewohnt, kenne die Risiken, den Zustand, die Nachbarschaft, und habe deshalb geboten. Er wäre kein Strohmann für die LNR-Gruppe oder Neugebauer und verlangt Löschung des Artikels oder Anonymisierung.

Wir dokumentieren diese Stellungnahme ausdrücklich.

Gleichzeitig bleibt festzuhalten:

  • Die Zwangsversteigerung, der Zuschlag, die Firmenbuchdaten und die strafrechtlichen Ermittlungen in der Causa LNR sind öffentlich dokumentiert.
  • Die Kombination aus einer derart vorbelasteten Liegenschaft, der Exekutionslage Neugebauer, der Plurimum-/Meisel-Historie, den offenen WEG-Klagen – und einem langjährigen Vertrauensmann aus diesem Netzwerk als Meistbieter – begründet aus Sicht von Wiener Zocker ein klares öffentlichen Interesse an transparenter Berichterstattung.

Es gilt die Unschuldsvermutung – für Neugebauer, für Meisel, für Wagenhofer, für Milanov und alle anderen Genannten. Aber Unschuldsvermutung heißt nicht Schweigepflicht.

Schlussbild: Zwei Hausnummern, ein System

Zwischen der 63 und der 80 liegen zu Fuß vielleicht zwei Minuten.

Auf der 63: Hartinger, Vogtgasse 16–20 GmbH, Paller, Scheck – die ältere Schule der Wiener Zocker.

Auf der 80: Gabriel, Wagenhofer, Haberhauer, Neugebauer, Meisel – und nun Milanov als Meistbieter im Schatten von Liegenschaften, die von beiden Welten berührt wurden.

Dazwischen die konkreten Schicksale der Menschen, die hier wohnen, die Feuerwehrleute, die die Häuser vor dem Abbrennen retten, die Polizisten, die nachts zu Messerattacken und Einbrüchen ausrücken, die Ladenbesitzer, die vor Insolvenzen zittern, und die Stolpersteine, die an jene erinnern, denen man hier schon einmal alles weggenommen hat.

Die Kaiserstraße 80 ist damit mehr als nur eine problematische Dachgeschosswohnung. Sie ist ein Brennglas – für das, was im Wiener Immobilien- und Finanzsystem strukturell schief läuft. Und genau deswegen gehört ihre Geschichte nicht ins Archiv, sondern auf die Startseite.

Für weitere Informationen sind wir offen und Dankbar. Bitte diese als Kommentar hinterlassen oder per Email an office@wienerzocker.com.

2 Antworten zu „Kaiserstraße 80: Wenn eine Straße das Gedächtnis der Wiener Zocker-Ökonomie wird”.

  1. Avatar von Einfach Nurso
    Einfach Nurso

    Und der FN 450518b Kaiserstraße 80 DG Immobilien- und ProjektentwicklungsgmbH – später als Exclusiv Wohnen Tribuswinkel GmbH per 03.10.2019 in Konkurs gegangene Firma der Gabriel Thomas, geb. 10.09.1980, Wagenhofer Thomas, geb. 09.06.1969, Haberhauer Philipp, geb. 24.09.1988, Totter Franz, geb. 18.11.1974  gehörte auch die KG 04034 EZ 2178 in Tribuswinkel. Auch diese war voll von vollstreckten Titel und wurde per 06/2020 an die FN 519487b SHG 20 Immobilienentwicklungs GmbH & Co KG verkauft. Hinter dieser stehen die per 18.03.2024 in Konkurs und mittlerweile gelöscht befindliche FN 508149d simpliimmo Immobilien GmbH des Widhofner Alexander, geb. 13.04.1977, Gruber Mario, geb. 03.12.1974, Talaber Andreas, geb. 11.09.1966 und der FN 400452a wien invest Unternehmensbeteiligungen GmbH ebenfalls des Widhofner Alexander. Mit Beschluss vom 12.07.2024 wurde diese Liegenschaft nun wieder versteigert. Diesmal an die FN 633070k 888Koy GmbH.

  2. Avatar von DieLady
    DieLady

    Vielen Dank für den tollen Artikel! Gleichzeitig ist es besorgniserregend, dass man diese LNR-Pest nicht loswird. Durch Scheinkaufverträge, Vormerkungen im Grundbuch und andere Tricks kriechen sie immer noch herum. Zollergasse 31, Apollogasse 8, Hörlgasse 7 (sie sind arm), Halbgasse 18, Kaiserstraße 80 – überall dieselben Geschichten und eine Spur von Chaos. Hallo WKStA!

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